Die Kern-Elemente der „konzept-kreativen“ Geschäftsideen, so wie Entrepreneur-Professor Günter Faltin sie in seinem Buch „Kopf schlägt Kapital“ vorstellt, habe ich schon im ersten Teil dieser kleinen Serie erklärt.
Zur Erinnerung:
Entscheidend ist, eine Ausgangsidee zu finden und “daran arbeiten, noch mehr daran arbeiten, so lange bis Sie ein Ideenkonzept haben, das deutlich überzeugender ist als die Konvention, die Sie vorfinden.” Und wenn das Ideenkonzept ausgreift ist: “Aus vorhandenen Komponenten gründen, statt alles selbst aufzubauen.” Also Herstellung, Verpackung, Vertrieb, Marketing, Buchhaltung etc. zum Teil oder komplett bei professionellen Anbietern einkaufen.
In den Kommentaren tauchte die Einschätzung auf, dass diese Prinzipien nur begrenzt auf Selbstständige, die Dienstleistungen wie Beratung, Coaching etc. anbieten zu übertragen sind. Grenzen gibt es da sicher. Aber mich interessiert heute die Frage:
Wie können Selbstständige und kleine Unternehmen von Faltins Grundidee profitieren?
Ein Punkt, den ich für sehr wichtig halte:
Die Idee hinter dem Unternehmen muss gut durchdacht sein.
Es lohnt sich für jeden Selbstständigen, intensiv darüber nachzudenken, was genau wem genau angeboten werden soll. Egal, ob es um Produkte oder Dienstleistungen geht. Egal, ob der Selbstständige gerade gründet oder schon eine Weile im Geschäft ist.
Hinter dem „was genau wem genau“ steckt viel Recherche- und Denkarbeit, stecken viele Entscheidungen. Oft lese ich auf Websites so etwas Ähnliches wie „Ich biete Coaching im beruflichen und privaten Kontext“ oder etwas in diese Richtung „Ich biete Coaching zu den Themen Stressmanagement, Zeitmanagement, Karriereplanung, Zielfindung für Berufstätige und Privatpersonen“. Übersetzt heißt das: Ich biete alles für jeden. Und das übersetzt der potenzielle Kunde in: Dieser Anbieter bietet nichts Besonderes an, das speziell mir in meiner aktuellen Situation helfen kann.
Ich bin sicher, dass die meisten solcher Anbieter zu den vielen Unternehmen gehören, die ihre Türen innerhalb der ersten fünf Jahre nach Gründung wieder schließen müssen.
Die Chance und Herausforderung liegt in dem Impuls, den Faltin gibt, wenn er sagt „eine Ausgangsidee zu finden und “daran arbeiten, noch mehr daran arbeiten, so lange bis Sie ein Ideenkonzept haben, das deutlich überzeugender ist als die Konvention, die Sie vorfinden.”
Um im Beispiel zu bleiben: Die Ausgangsidee kann durchaus heißen: Ich will Menschen helfen, mit Stress besser umzugehen (Stressmanagement-Coaching). An dieser Idee muss dann gefeilt werden. Für wen genau, was genau, wie genau – warum bin ich genau die Richtige für bestimmte Menschen?
Im Grunde geht es also um das Herausarbeiten der Einzigartigkeit eines Angebots, um nicht so leicht mit den tausenden anderen Anbietern von Stressmanagement-Coaching austauschbar zu sein. Das Schöne ist ja: Jeder Mensch, jeder Selbstständige ist einzigartig. Das muss allerdings sichtbar gemacht werden. Dann können Angebote „deutlich überzeugender ist als die Konvention (sein), die Sie vorfinden.” Damit meine ich nicht „Sie müssen einfach nur sagen, dass Sie der beste Stressmanagement-Coach aller Zeiten sind.“ – das ist unglaubwürdig. Damit meine ich „Sie müssen bestimmten Menschen klarmachen, dass Sie deren Probleme sehr gut verstehen und genau dafür eine Lösung anzubieten haben.“
Das nennt man bekanntlich auch Positionierung 🙂
Hier ist so eine starke Positionierung. Es geht um Stressmanagement im weitesten Sinne:
Brigitte Hettenkofer, Coach für Mentales Gesundheitstraining, fragt in der Überschrift auf Ihrer Website:
Sie sind von einer schweren Krankheit oder Burnout betroffen und wollen Ihr Wohlbefinden nicht nur den Ärzten überlassen?
Für Menschen, die sich davon angesprochen fühlen hat Brigitte Hettenkofer Angebote entwickelt, die beim Stressmanagement, beim Gesund werden und bleiben, helfen. Zum Beispiel führt sie für Pflegekräfte in Altenheimen Workshops und Coaching-Programme durch, die sie „Selbstpflege-Werkstatt“ genannt hat.
www.brigittehettenkofer.de/
So eine glasklare Positionierung mit gut durchdachten Ideen entsteht natürlich nicht von heute auf morgen. Aber es lohnt sich meiner Ansicht nach auch für Dienstleister, an seiner Ausgangsidee zu feilen, um konkrete Angebote für konkrete Menschen machen zu können. Brigitte Hettenkofer wird mit Sicherheit nicht als jemand empfunden, der „alles für jeden“ bietet und nichts wirklich gut kann. Sondern als jemand, der bestimmten Menschen in bestimmten Situationen besonders gut helfen kann.
Haben sich Ihre Angebote im Laufe Ihrer Selbstständigkeit verändert? Sind sie konkreter geworden?
Hallo Frau Weinberger,
wow, ein toller Artikel… ja meine Angebote (bzw. die Art meiner Präsentation) haben sich tatsächlich eingige Mal verändert. Bin ich wirklich konkreter geworden? Jein, jedenfalls denke ich, dass ich hier durchaus noch Aufwärts- Potential habe.
Mittlerweile habe ich die dritte Version meiner Firmenwebseite herausgebracht… trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass ich mich noch besser präsentieren könnte. Wenn ich konsequent anwenden würde, was Sie hier vorschlagen, dann könnte ich mein Geschäft wahrscheinlich relativ schnell auf den nächsten Level bringen.
Viele Grüße,
Julan Murrell
Hallo Herr Murell,
ist ja klar, dass Sie als Webdesigner Ihre Firmenwebsite häufiger ändern – zum Teil sicher aus fachlichem Ehrgeiz auf dem Stand der Zeit zu sein 🙂 Ihre Seite sieht auf jeden Fall sehr ansprechend aus – ob Sie auch die gewünschte Performance – also Anfragen von potenziellen Kunden – bringt, können nur Sie beurteilen. Danke für Ihren Kommentar!
Hallo Frau Weinberger,
mit Interesse verfolge ich die Serie und genau so gern lese ich Ihren Newsletter oder Ihre Threads bei Xing und Twitter.
Ich unterstütze den Ansatz der klaren Positionierung, frage mich aber ständig:
1. Was ist mit denen, die auf mehreren Füßen stehen?
2. Und was ist mit denen, deren Zielgruppe nicht so einfach einzugrenzen ist?
Ein Beispiel zu 1.:
Ich biete Coaching und Co. für Selbstzahler sowie Unternehmensberatung. Websitemäßig ist dies getrennt in http://www.sinah-altmann.de und http://www.loehnmethode.com. Aber: Ich habe bei Xing z. B. keine Möglichkeit für zwei Profile, also entsteht hier nach außen kein klares Bild.
Ein Beispiel zu 2.:
Zum Coachen kommen Männlein und Weiblein, jung und alt. Die Themen reichen von beruflichen Sinnkrisen über private Trennungssituationen bis hin zur Selbständigkeit – wie soll ich das denn auf einen Punkt bringen?
Ratlosen Gruß, Sinah Altmann
Liebe Frau Altmann,
danke für Ihre Gedanken und Fragen. Ich müsste mir Ihre Seiten und Ihr gesamtes Geschäftsmodell natürlich genauer anschauen für eine qualifizierte Beratung.
Aber beim Überfliegen Ihrer Seiten entsteht bei mir durchaus ein recht klares Bild Ihres Angebots. Ihre Lösung mit zwei Websites – eine für die Selbstzahler – und eine für die Unternehmen zu arbeiten ist generell eine gute Variante. Ob das unbedingt zwei so unterschiedliche Domain-Namen sein müssen, wäre zu diskutieren. Vielleicht kann man auch Angebote und Ansprache noch klarer auf die jeweilige Zielgruppe abstimmen, aber dazu müsste ich wie gesagt tiefer in die Texte einsteigen.
Ich bin nicht der Meinung, dass nur über soziodemographische Faktoren (Alter, Geschlecht etc.) eine Zielgruppe klar einzugrenzen ist. Ein Satz wie „Sie wollen Ihre Opferrolle aufgeben und Verantwortung für Ihr Leben übernehmen“, den Sie auf Ihrer Seite für Selbstzahler nutzen, ist eine starke Aussage zur Positionierung. Sie wollen offenbar nicht mit „Jammerern“ 🙂 arbeiten. Das ist dann der psychographisch gemeinsame Nenner.
Ihr Auftreten wirkt auf den ersten Blick keineswegs beliebig oder schwammig auf mich.
Die Frage ist natürlich, wie Sie es für sich erleben. Ob Sie von einem bestimmten Zielgruppen-Segment mehr Kunden anziehen wollen. Dann könnten Sie ja ein spezielles Angebot für diese Gruppe entwickeln und bewerben.
Kurz: Mit klarer Positionierung meine ich nicht, dass man nur eine einzige nach Alter, Geschlecht etc. definierte Zielgruppe ansprechen darf. Viele stehen auf zwei Standbeinen. Coaching für Selbstzahler reicht ja oft nicht aus, um den angestrebten Jahresumsatz zu erzielen.
Was mich beim zweiten Hinschauen doch etwas irritiert: Sie nennen die Seite für Unternehmen http://www.loehnmethode.com/ – aber auf der Startseite taucht die Methode erst relativ weit unten auf. Was einerseits richtig ist, weil Menschen keine Methoden „kaufen“ wollen, sondern Problemlösungen – andererseits irritiert, weil halt die gesamte Seite so heißt.
Hier und bei der Frage, wie wollen Sie wen erreichen (nicht nur über die Website, sondern über zusätzliche Akquise-Kanäle) würde ich ansetzen, wenn Sie optimieren wollen …
Herzliche Grüße
Annja Weinberger
Guten Tag, Frau Weinberger,
da mir das Konzept Faltin schon seit gut zwanzig Jahren bekannt ist, muss ich Sie leider darauf aufmerksam machen, dass Sie hier eher die EKS – Engpasskonzentrierte Strategie von Prof. Mertens beschreiben. Ein entrepreneurial Design oder IDEA-Design basiert auf Entwicklung einer Idee und Verfeinerung (Refinement). Dabei kommt ein Methodenmix aus Design- und Kreativitätsprozessen zum Einsatz. Das Modularisieren ist auch nicht für jeden realisierbar und sinnvoll. Vor allem ist dafür ein finanzieller Spielraum nötig und bei einem Produkt bezogenen Geschäft i. d. R. bereits eine gewisse Absatzgröße. Ihre durchaus sinnvollen Hinweise dienen der Profilbildung von Freiberuflern. Ein Unternehmen im Faltinschen Sinne sollte skalierbar sein.
Viel Vergnügen weiterhin & kollegiale Grüße!
@Andrea Palinkas
Danke schön für Ihre Anmerkungen.