Warum unternehmerisches Denken vielen Selbstständigen schwer fällt …

… und warum es so wichtig ist.

Wie sehen Sie sich selbst – wie wollen Sie von anderen gesehen werden? Betrachten Sie sich als Unternehmer/in? Es ist wichtig, wie Sie von sich reden. Denn Worte haben große Kraft und machen oft einen gewaltigen Unterschied – sie drücken Ihr Selbstverständnis aus und unterstützen oder behindern Sie bei Ihren Zukunftsplänen.

Als ich mich vor fast 15 Jahren selbstständig gemacht habe, lag mir nichts ferner als mich als Unternehmerin zu bezeichnen. Ich hatte gerade eine mehrjährige Anstellung in einer PR-Agentur beendet und war nun auf dem Weg auf eigene Rechnung PR und Marketing anzubieten. Zunächst war ich als Freelancer überwiegend für eine Werbeagentur tätig – in gewissem Sinne war ich schein-selbstständig.

Aber auch als ich mit zwei Partnern eine eigene PR-Agentur gründete, ist mir die Aussage „Ich bin Unternehmerin“ nicht über die Lippen gekommen. Als PR-Expertin, als Texterin, als Beraterin habe ich mich verstanden.

Das hat sich inzwischen geändert. Natürlich bin ich immer noch Marketingberaterin und Texterin, aber das ist nur die eine Seite. Zugleich erlebe ich mich als Unternehmerin. Vielleicht erst seitdem ich mich von meinen Geschäftspartnern getrennt und nun allein für mein business verantwortlich bin, ist mir die unternehmerische Einstellung ebenso wichtig wie die fachliche.

Von dem Moment an als ich mich als Unternehmerin erlebt habe, verschob sich mein Fokus. Meine Gestaltungskraft spielte plötzlich eine große Rolle. Das aktive Einflussnehmen auf die Geschicke des eigenen Geschäfts wurde mir mindestens genau so wichtig wie meine fachlich gute Leistung. Als Angestellte und Freiberuflerin war ich vor allem darauf bedacht, meine Vorgesetzten und Auftraggeber zufrieden zu stellen. Als Unternehmerin steht natürlich der Erfolg meiner Kunden auf Platz 1, aber das Wachsen und Gedeihen – also dauerhafte Florieren – meines Unternehmens befindet sich gleichberechtigt auf dem Siegertreppchen. Denn ohne dieses Florieren würde ich schon bald schließen müssen und somit könnte somit keinen Menschen mehr zum Erfolg verhelfen.

Heute ist mir klar, warum es mir anfangs schwer fiel, als selbstständige Beraterin unternehmerisch zu denken. Es lag an Mustern, die viele Selbstständige verinnerlicht haben:

  • Sich überwiegend mit seiner fachlichen Leistung identifizieren
  • Sich in erster Linie als Lieferant von guter Qualität betrachten
  • Sich in dem Glauben halten, dass einem die Arbeit – wie bei Angestellten und Freiberuflern – immer weiter automatisch auf den Tisch geschoben wird

Natürlich ist gegen das Engagement für fachliche Leistungen von guter Qualität nichts einzuwenden. Die Gefahr liegt in der Ausschließlichkeit. In meiner Entwicklung von der Angestellten über die selbstständige Freiberuflerin bis zur Unternehmerin habe ich gerlernt: Es reicht nicht, fachlich gut zu sein. Es reicht einfach nicht. Wenn ich ein Unternehmen führen will, sind auch unternehmerische Qualitäten gefragt. Qualitäten, die helfen, ein business zum Florieren zu bringen:

  • Verantwortung für das Wachsen und Gedeihen des eigenen Unternehmens übernehmen
  • Lernen und umsetzen, was es braucht, sein Unternehmen auf eine qualitativ und finanziell solide Basis zu stellen
  • Vorausschauen, Marktentwicklungen beobachten und Chancen für die Unternehmensentwicklung nutzen

Die unternehmerische Sichtweise fällt oft leichter, wenn die Beziehung zur verkauften Ware nicht so eng ist, wie das meist bei Dienstleistungen der Fall ist. Wenn Sie Stoffblumen in eigener Fabrik herstellen lassen und vertreiben, können Sie voller Leidenschaft dafür sein. Meist fällt es aber leichter auf eine gesunde Distanz zu dem Produkt zu gehen. Wenn zum Beispiel einmal eine Fuhre Mängel aufweist und Beschwerden ernet, nehmen Sie das hoffentlich ernst, aber nicht allzu persönlich. Dieser Abstand fällt vielen bei persönlichen ausgeführten Dienstleistungen nicht so leicht. Ich zum Beispiel konnte zu Anfang meiner Laufbahn Kritik an meinen Texten nur schwer verkraften. Heute will ich ehrlich herausfinden, ob die Einwände helfen könnten, den Text noch besser zu machen.

Gerade Coachs, Trainer, Therapeuten, Kreative wie Grafiker, Fotografen, Texter und Berater aller Branchen identifizieren sich oft stark mit der eigenen Leistung. Sie sind Produzent und Verkäufer zugleich. Ein Rollenwechsel, der schwer fallen kann. Schnell schnappt die Perfektionismus-Falle zu: Die Produkte (Coaching-Sitzungen, Seminare, grafische Arbeiten,  Texte etc.) können aus fachlicher Sicht vermutlich immer weiter verbessert werden. Auch ich halte Top-Leistung für anstrebenswert. Aber: Die Wertschätzung für unternehmerisches Denken und Handeln darf dabei nicht auf der Strecke bleiben.

Wer seine gesamte Energie ausschließlich in die fachliche Seite seines Unternehmens steckt, wird über kurz oder lang in einer Sackgasse landen. An einem „dead end“ ,an dem es nicht mehr weiter geht und Umkehr gefragt ist. Es gibt in der echten Selbstständigkeit eben keinen Zuschieber von Aufträgen, der dafür sorgt, dass der Schreibtisch immer gleichmäßig gut gefüllt ist mit Arbeit.

Wir selber müssen uns darum kümmern, Leistungen nicht nur gut zu verkaufen, indem die Qualität überzeugt, sondern auch, indem wir sie gut vermarkten. Wir müssen uns Marketing in seinem umfassenden Sinne kümmern. Ich rede von den berühmten 4 P – Produkt / Preis / Platzierung / Promotion. In aller Kürze betrachtet: Welche Produkte wollen wir wem anbieten? Welchen Preis sollen die Produkte  erzielen? Wie und wo wollen wir sie platzieren – also an Kunden bringen? Wie wollen wir für unsere Angebote werben?

Wie ist Ihre Geschichte mit dem Thema? Wie sehen Sie sich?

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Liebe Frau Weinberger,
    ich kann einige ihrer Gedanken bestätigen. Aus meiner Sicht ist diese „Hürde“ jedoch ein hauptsächlich weibliches Problem: Eine hohe Identifikation mit dem Produkt oder der Dienstleistung als Teil der eigenen Entwicklung, Geld ist oft nebensächlich…. Männliche Unternehmer gründen schon mit dem auf Fokus den (finanziellen) Erfolgs Das erlebe ich sehr häufig in Beratungen. Ist übrigens schon bei der Berufswahl so. Das ergaben Studien zum Thema gender-pay-gap.

  2. Liebe Frau Abbrederis,

    da haben Sie vielleicht recht. Können wir Frauen uns also eine Scheibe abschneiden von unternehmerisch denkenden Männern 🙂

    Allerdings kenne ich z. B. viele männliche Grafik Designer, Fotografen und andere Kreative, die mit dem Fokus auf finanziellen Erfolg auch so ihre Probleme haben.

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